Tatsächlich hab ich am Ende nochmal alle Leute getroffen, die mir in dem letzten 16 Tagen wichtig geworden sind. Zuletzt Fabian, der in meiner letzten Nacht in Lencois nem Typen der mich angebaggert hat erklärt, dass ich alles bekäme was ich wolle, aber romantisch und verklemmt sei und er besser die Finger von mir lassen soll. Das hat mich ganz schön zum nachdenken gebracht, weiter bin ich aber noch nicht.
Wollte mich heute nicht groß verabschieden, bin den ganzen Tag allein ums Vale gelaufen und wusste nicht so recht, wie es mir geht, bin meinem eigenen Schatten begegnet. Hab Heimweh und gleichzeitig würd ich gerne hier bleiben. Werde nie ganz so sein wie die Menschen hier, mich nicht so kleiden und so viel Eigenanbau rauchen. Eigentlich weiß ich gar nicht, wer und wie ich bin, bleibe auf der Suche. Sicher ist: ich bin Mutter von einem tollen Sohn und derzeit auf einem anderen Kontinent unterwegs. Weitere zwei Wochen habe ich Zeit und bewege mich in Richtung Norden, dem Äquator noch ein bisschen näher.
Judith Englert - 10. Dez, 15:22
Auch dieser Ort bleibt vorerst leider "nur" eine Station dieser Reise. Es ist für mich wie ein zweites Tobadill, Heimat. Wahrscheinlich menschelt es hier wie überall sonst auf der Welt. Trotzdem ist es für mich der friedlichste Ort den ich kenne! Beindruckend finde ich die Herzlichkeit und Offenheit der Menschen, das einfache und natürliche Leben, die faszinierende und unberechenbare Natur. Ob mir hier mit der Zeit was fehlen würde? (also neben Valentin und Freunde). Weiß nicht, hier gibt es so vieles.... auch kulturell. Jeder bringt sich mit dem ein, was er ist und tun kann. Das Land ist fruchtbar, es gibt sogar eigenen Wein und Kaffee. Wochentags ist es am Abend ruhig, am Wochenende wird gefeiert und getanzt, es wird kein Unterschied zwischen reich und arm gemacht. Die Menschen wirken glücklich, stecken voller Lebenskraft.
Ok, wie schon erwähnt, sagt meine deutsche Vernunft, dass auch hier nicht alles Gold ist was glänzt. Zum Glück brauch ich dieses typische deutsche Denken grad nicht :)
Dieses selbstorganisierte Tal wird mich wiedersehen.
Judith Englert - 8. Dez, 19:37
Heute wieder und auch die restliche Woche fällt das Capoeira aus, weil es hier ein Unglück mit Todesfall gab. Ist so ne Art Trauerwoche.
Also ging's heute mit drei neuen Bekannten (1 Argentinierin, 2 aus Uruguay) los auf die Piste. Vorbei an der einheimischen Badestelle flussaufwärts über viele Felsen zu einer Höhle. Die war größer als ich mir vorstellte und unheimlicher. Bestückt mit zwei selbstgebauten Fackeln ging es hinein in die Finsternis. Die Herausforderung war, die Fackeln immer wieder aufzufüllen und über das Felsenmeer, das ständig auf und nieder ging, zu balancieren. Das war ein echtes Abenteuer!
Macacu kann ich immer noch nicht, dafür bin ich auf dem Rückweg wie ein Affe geklettert.
Die Einladung, bei den anderen auf dem Musikfreien Festivalgelände zu übernachten habe ich dankend abgelehnt. Dafür reicht meine Abenteuerlust nicht aus.
Judith Englert - 2. Dez, 02:42
Werd in den nächsten Tagen in ner netzfreien Zone sein, mitten in der Chapada Diamantina, 30 km von der "realen/normalen" Zivilisation entfernt und in ner Art Kommune mitleben.
Die Anreise war mir fast ne Nummer zu arg: der Bus von Lencois aus hatte Verspätung und somit hab ich die einzigste Möglichkeit von Palmeiras weiter nach Vale do Capao zu kommen, verpasst. Taxi oder ähnliches gab's auch nicht. Die Leute in Palmeiras meinten, ich soll einfach mal loslaufen und irgendein Auto wird kommen und mich mitnehmen. So stiefelte ich los, die 30 km Piste vor mir. 2 Stunden lang kam nix oder fuhr weiter. Die Hitze und das Gepäck machte mir zu schaffen. Ich war den Tränen nahe, als ein Motorradfahrer anhielt und mich mitnehmen wollte. Das war gar nicht so einfach: großer Rucksack, Umhängetasche und Berimbau. Ich hab schon lang nicht mehr so viel gebetet und zwischendurch auch geschrien. Mal Augen zu, mal fast runterpurzelnd, hab ich die Fahrt überstanden. Es war Adrenalin pur!
Der zweite Adrenalinschub kam gegen Abend. Ich ging selig schwebend den Weg entlang, als mich aus der Stille heraus ne Schlange angefaucht/ angezischelt hat. Ich nen Satz zur Seite, drei Meter weiter und dann das Tier begutachtet: so dick wie ein Oberarm, grün-braun kariert, den Kopf mir entgegengestreckt und ziemlich lang. Mir ist echt das Herz in die Hose gerutscht.
Ansonsten ist dieses Tal wie für mich geschaffen, wär ich vor 15 Jahren hergekommen, hätt ich hier vielleicht wahrscheinlich Wurzeln geschlagen.
In der Nacht sind die Sterne und der Himmel ganz nahe.
Ich meld mich in ein paar Tagen wieder.
Judith Englert - 2. Dez, 02:31